Die Gruft auf dem Remigiusberg
Geschichte der Gruft auf dem Remigiusberg
Dass Geschichtsschreibung nur selten den logischen und kontinuierlichen Ablauf von Ereignissen darstellt, liegt vor allem daran, dass Geschichte keineswegs logisch und widerspruchsfrei verläuft. Wer sich je mit der Geschichte des Remigiusberges beschäftigt hat, weiß dies und hat gemerkt, dass es zum anderen noch die Schwierigkeiten ungenauer Überlieferungen und den Wirrwarr der gefälschten mittelalterlichen Urkunden zu meistern gilt, will man den Überblick wahren.
Oft glaubt man mehr Geschichten über den Remigiusberg zu lesen als die wahre Geschichte des Remigiusberges. Schon das Datum, mit dem diese Geschichte beginnt ist in fast allen heimatkundlichen Darstellungen anders angegeben. Einmal heißt es, das Remigiusland sei zwischen 462 und 533 von dem Frankenkönig Chlodwig der Abtei St. Remy geschenkt worden, das andere Mal wagt es der Heimatforscher gar nicht, Jahreszahlen anzugeben und schreibt nur "vor mehr als tausend Jahren".
Erst die Forschungen, die Dr. Debus spätestens bei seinem Vortrag 1989 auf Burg Lichtenburg bekannt machte, halten bezüglich der zeitlichen Einordnung dieser Schenkung kritischen Prüfungen stand. Durch sichere Gründe, die er für die Annahme hat, dass dieses Land von König Childebert II., der noch 575 regierte, der Reimser Bischofskirche unter Bischof Agidius, der vor 590 im Amt war, geschenkt wurde, läßt sich die Zeit der Schenkung zwischen 575 und 590 eingrenzen, wobei laut Debus die Schenkung näher bei 590 als bei 575 liegt.
Seit dem achten Jahrhundert gab das Bistum diese Besitzungen an die Ordensgemeinschaften weiter und so soll um 950 das Remigiusland an den Benediktinerorden gelangt sein. Ihren neuen Besitz mußten sich die Benediktiner immer wieder von neuem bestätigen lassen und sie waren auf den Schutz des Kaisers sowie der Herzöge und Grafen des Nahegaues angewiesen.
Man darf annehmen, dass zu dieser Zeit bereits damit begonnen wurde, auf dem Remigiusberg eine Propstei einzurichten, die aber erst 1127 urkundliche Erwähnung fand. Wieviel von der Geschichte wahr ist, dass sich die Mönche zum Kauf einer Junkerburg, die von Raubrittern bewohnt war, genötigt sahen, damit sie endlich ihre Ruhe vor diesen hätten, weiß ich nicht. In der Schule hatten wir es so gelernt. Es kann aber auch gut sein, dass lange vor dem Kloster eine Befestigungsanlage auf dem Remigiusberg stand.
Zur Verteidigung der Klosteranlagen ließ Graf Heinrich von Zweibrücken um 1260 eine Holzburg, angeblich auf den Fundamenten einer früheren Burg, errichten. Nach den Kämpfen wurde der Holzbau durch einen festen Steinbau ersetzt und der Remigiusberg wurde Wohnsitz der zweiten Veldenzer Linie, die benachbarte Klosterkirche zu deren letzter Ruhestätte bestimmt.
In der Seitenkapelle der Kirche befindet sich heute die noch gut erhaltene Grabplatte des am 10. April 1327 verstorbenen Junggrafen Friedrich von Veldenz, Sohn von Georg und Agnes von Leiningen und Gemahl der Blanzeflor von Spanheim-Starkenburg. Der Stein wurde im Rahmen der Renovierungsarbeiten der Jahre 1966 bis 1968 dorthin versetzt, weil er, in die Wand des Kirchenschiffs eingelassen, früher von Kirchenbänken verdeckt war.
Die eigentliche Geschichte der Gruft beginnt mit Herzog Alexander von Pfalz-Zweibrücken (gestorben 1514). Er führte in seinem Testament das Erstgeburtsrecht ein, um zu vermeiden, dass sein Erbe zerstückelt werde. Sein erstgeborener Sohn Ludwig II., Herzog von Pfalz-Zweibrücken, regierte also nach dem Tode Alexanders, während der nachgeborene Sohn Ruprecht von Veldenz für den geistlichen Stand bestimmt wurde. Bald wurde er Domherr zu Mainz und Straßburg, kaufte die Michaelsburg samt der Pfründe von seinem Bruder und verlegte um 1524 seinen Wohnsitz auf den Remigiusberg, um auch die Güter des Klosters auf seinen Namen zu verwalten.
Pfalzgraf Ruprechte wurde zum Stifter der 1694 jedoch ausgestorbenen Linie Pfalz-Veldenz-Lützelstein. Wolfgang begründete oder führte fort die Neuburgische, Birkenfelder und Zweibrücker Linie. Ein Jahr nach seiner Hochzeit starb am 27. Juli 1544 Ruprecht auf seinem Schloß in Grevenstein, hinterließ Sohn Georg-Hans, für den Wolfgang nun die Vormundschaft übernahm, und zwei Töchter. Sein Leichnam wurde in der Alexanderkirche in Zweibrücken, nicht auf dem Remigiusberg beigesetzt.
Mit 19 Jahren heiratete Georg Hans von Lauterecken-Veldenz am 13. Okt. 1563 die schwedische Prinzessin Maria Anna, die Tochter des Schwedenkönigs Gustav, und lebte mit ihr auf dem Remigiusberg. Das junge Glück wurde getrübt, als am 4. Okt. 1579 die Lieblingstochter der Prinzessin als erste in der Gruft von St. Remigiusberg bestattet wurde. Sie war das erste der elf auf der Michaelsburg geborenen Kinder der Prinzessin, von denen noch zwei weitere sehr früh sterben mußten.
1596 starb Hans Georg. Wo er beerdigt wurde, weiß bis heute niemand. Schnell folgten dem Vater zwei Kinder in den Tod und 1605 ein Enkel Georg Gustav, die alle in der Gruft bestattet wurden. Die große Fürstin Anna starb am 30. März 1610. Ihren mit einem Kreuz verzierten Zinnsarg stellte man als ersten größeren Sarg gleich vorne in das Gewölbe der Gruft unter dem Kirchenschiff vor dem Chor.
Die Inschrift des Sarges ist als Abschrift aus der Mitte des 17. Jahrhunderts erhalten geblieben. Sie lautete: "Hier ruhet in Gott die durchlauchteste Hochgeborene Fürstin und Frau, Frau Anna, Pfalzgräfin bey Rhein, Hertzogin in Bayern, Gräfin zu Veldenz und Sponheim, Wittwe, der Königreich Schweden, Gothen und Wenden, gebohrene Prinzessin und Erbin, welche Gott der Allmächtige den 30ten Mertz 1610 I.F.G. (Ihre fürstliche Gnade) Alters im 65. Jahr gnädiglich aus dieser Welt abgefordert, deren Allmacht dem jüngsten Tag samt allen christgläubigen eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle. I.F.G. Herr Vater ist gewesen der Durchlauchtigste Großmächtigste glückseelig christliche Potentat Herr Gustavus, König der Schweden, Gothen und Wenden, auch seynd I.F.G. Pfaltzgraf Georg Hannsen hinterlassene Wittib gewesen 18 Jahr".
Im Dreißigjährigen Kriege kamen zwölf Veldenzer ums Leben. Nur einer von ihnen, Wolfgang Wilhelm, konnte in der Familiengruft beerdigt werden. Während des Pest- und Hungerjahres 1634, in dem auch die Kroaten ins Remigiusland einfielen, starb am 9. Juni, in seinem 71. Lebensjahr und 40. Regierungsjahr der Stammhalter, Georg Gustav, ältester Sohn von Georg Hans. Sein Testament, das er am 10. Okt. 1633 "auf Remigiusberg in dem fürstlichen Schloß daselbst in der großen Stube nächst dem fürstlichen Gemach im anderen Stockwerk, davon die Fenster gegen den Glan und Dorf Stegen gesetzt sind", sah vor, dass sein Leichnam "ohne Prunk zur Erde gebracht werden (soll)". Zur Testamentsvollstreckerin wurde Christine in Schweden und der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstiere bestimmt. Mitunterzeichner des Testaments sind der Graf von Falkenstein, der Graf zu Dhaun, J. H. von Kötteritz, Friedrich von Heideburg, Nikolaus J. von Bärenfels und die Pfarrer von Reichenbach und Theisbergstegen. Wenige Tage vor seinem Tod verfaßte Georg Gustav noch einen Anhang zu dem Testament.
Sein Sarg wurde, mit den Wappen von Schweden, der Pfalz und der Rheingrafenschaft verziert, in die Mitte der Gruft gestellt. Seine Frau, Maria Elisabetha, die nach Georg Gustavs Tod die Regierungsgeschäfte für den noch minderjährigen Sohn Leopold Ludwig übernahm, fand am 8. August 1637 ihre Ruhe an seiner Seite. Ihr Sarg trug die Inschrift: "Von Gottes Gnaden Maria Elisabetha gebohrene und verwittibte Pfalzgräfin bey Rhein, Hertzogin in Bayern, Gräfin zu Veldenz und Sponheim, ist seelig dem Herrn entschlafen, den 8ten August Anno MDCXXXVII Seien Fürst. Leichnam hierinne ruht bis ihn Gott am lieben jüngsten Tag wieder fröhlich aufwecken wird".
Die letzte Beisetzung wurde im Jahr 1649 vorgenommen. Maria Elisabetha starb am 12. Sept. 1649. Auch die Inschrift ihres Sarges ist handschriftlich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts als Abschrift überliefert. Sie lautet: "Von Gottes Gnaden Maria Elisabetha Pfaltzgräfin bey Rhein, Hertzogin in Bayern, Gräfin von Veldenz und Sponheim, des Kayserlichen Freyen Stifts Herforden Cononißin, ihres Alters 33 Jahr, 2 Monate und 19 Tag. Ist den 12. September Anno 1649 in dem Herrn seelig entschlafen, deren fürstliche Leichnam hierinne ruhet, bis ihn Gott an jenem Tage wieder fröhlich aufwecken wird".
Der Leichnam ruhte bei weitem nicht bis zum jüngsten Tage in dem Zinnsarg. In den Jahren 1773 und 1774 kaufte nämlich ein Altmetallhändler aus Altenglan die drei Zinnsärge auf, um sie einschmelzen zu lassen. Die Gruft kam zusammen mit der Kirche nach 1679 bis 1697 wieder an die Benediktiner und nach 1724 definitiv an die katholische Kirche, die 1744 wieder eine Pfarrei Remigius gründete. 1798 erklärte die Republik die Kirche jedoch zum Nationalgut und beschloß den Abriß, gegen den sich aber die Bevölkerung wehrte. Man einigte sich darauf, das Mittelschiff stehen zu lassen, das zunehmend verfiel. Die letzten noch erhaltenen Särge wurden 1811 öffentlich versteigert, die Knochen leerte man wohl einfach aus den Särgen aus, bevor man sie hinauf ans Tageslicht schleppte. Bei den Renovierungsarbeiten, die 1885 durchgeführt wurden, füllte man die Gruft mit Schutt auf, da sie einzustürzen drohte.
All diese Ereignisse liegen lange zurück und man findet sich leicht damit ab, verzeiht dem Altmetallhändler seinen Frevel. Man entschuldigt es mit Not der Zeit, in der dies alles geschah. Aber auch in unserem Jahrhundert gingen die Sünden weiter. Bei der Renovierung der Jahre 1966 bis 1968 wurde die Gruft wieder freigeschaufelt, doch soll eine "pseudoarchäologische Freilegungsmanie", die das Landesamt für Denkmalpflege den damals Verantwortlichen vorwarf, wesentliche Funde zerstört, ja den ganzen Kirchenbau teilweise entstellt haben.
In Zeitungsausschnitten aus jener Zeit lesen wir, dass geborgene Skelettreste und Kleidungsstücke in drei Holzsärgen wieder beigesetzt wurden. Aber immer wieder behaupten Zeugen, die dabei gewesen sein wollen, dass ein Arzt aus der näheren Umgebung Skeletteile mit zu sich nach Hause genommen habe, um "wissenschaftliche Studien" zu betreiben. Wahr ist aber mit Sicherheit, dass wesentliche Funde nicht sachgerecht geborgen, zerstört wurden oder abhanden gekommen sind. Das mit der Renovierung beauftragte Architekturbüro hat nicht einmal die vom staatlichen Amt für Vor- und Frühgeschichte vorgeschriebene Vermessung der Gruft ausgeführt.
Quelle: Stephan Probst (Festschrift zur 850-Jahr-Feier der Gemeinde Haschbach am Remigiusberg, 1999)